Beschaffung von 2-Wege-Schienenschleiffahrzeug Typ AT VM 8000-12E

Zusammenfassung

MOVILL GmbH - als ungarische Vertretung der AUTECH AG - hat nach einem erfolgreichen öffentlichen Vergabeverfahren ein 2-Wege-Schienenschleif­fahrzeug Fabr. AUTECH Typ AT VM 8000-12 Extended (Straße, Schiene) mit 12 Schleifwellen an die Budapester Verkehrsbetriebe (BKV Zrt.) übergeben. Die Messgeräte, die Datenauswertungssoftware und die spezielle Steuerung des Fahrzeuges erlauben das Präzisionsschleifen der Schienen bzw. die Optimierung des Schleifvorgangs. Die Beschaffung ist äußerst zukunftsweisend, weil ein regelmäßiges Schleifen der Schienen die Nutzlebensdauer nicht nur der Schienen sondern indirekt der gesamten Gleiskonstruktion und der Fahrzeuge verlängert und dadurch gleichzeitig die Lebenszykluskosten reduziert.

BKV Zrt. plant seit längerer Zeit die Anschaffung eines modernen Schienenschleiffahrzeuges. Das Unternehmen hat September 2013 eine Bekanntmachung zum Gegenstand „Anschaffung einer Schienenschleifmaschine“ im Amtsblatt der Europäischen Union bzw. im Bulletin für das öffentliche Beschaffungswesen veröffentlicht, wobei schließlich AUTECH AG den Zuschlag erhalten und in deren Vertretung die Fa. Movill GmbH die Projektabwicklung koordiniert hat.

Produktentwicklung

Die Schienenschleiffahrzeuge Typ AT VM 8000-12E wurden speziell für den städtischen Nahverkehr entwickelt. Die geringen Außenabmessungen des Fahrzeuges erlauben den Einsatz auch in für die Straßenbahnnetze typischen kleinen Lichtraumprofilen. Auch enge Kurven (20 m) können bearbeitet werden, was ein Sonderwunsch des Auftraggebers war. Die Arbeitsmaschine eignet sich hervorragend zur Bearbeitung der Gleisnetze der S-Bahn und der U-Bahn.

Das Fahrzeug ist straßen- und schienengängig, wobei der besondere Vorteil ist, dass durch die Anfahrt zur aktuellen Baustelle auf Straße wertvolle Zeit eingespart werden kann. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 45 km/h bei Straßenfahrt und 25 km/h bei Schienenfahrt. Im Schienenfahrbetrieb wird das Fahrzeug angehoben, dabei haben ausschließlich die Schienenräder Kontakt mit dem Gleis. Der Wechsel zwischen beiden Fahrweisen ist außerordentlich schnell möglich, das Ein-/Ausgleisen beansprucht lediglich 1,5 Minuten. Durch Zuschalten der Vierradlenkung ist das Eingleisen auch in engen Bahnübergängen leicht möglich.

Das 2-Wege-Fahrzeug ist aus drei Funktionseinheiten aufgebaut: Basisfahrzeug, Schienenfahrwerk und Schienenschleifeinheit. Als Basisfahrzeug dient ein hydrostatisch angetriebenes Kommunalfahrzeug der Schweizer Firma V. Meili mit Allradantrieb und Vierradlenkung sowie mit hydraulischen Anschlüssen für Zusatzgeräte. Im Fahrzeug mit 11.990 kg zulässigem Gesamtgewicht ist ein 6-Zylinder-Dieselmotor Typ Mercedes-Benz OM 926LA eingebaut, der bei 2200 U/min Drehzahl eine Leistung von 322 PS abgibt.

Die vier Spurkranzräder des Schienenfahrwerks sind ebenfalls hydrostatisch angetrieben, dadurch hat das Fahrzeug ein gutes Ansprechverhalten, ist gut zu regulieren und leicht zu steuern. Die Schienenräder werden durch je einen hydraulischen Radialkolben-Radnaben­motor Typ BlackBruin BBC1 angetrieben. An allen vier Schienenrädern sind Sandstreu-Einrichtungen vorgesehen, damit beim Vorwärts- wie Rückwärtsfahren die effektive Bremsung gewährleistet ist.

Die Schleifeinheit Typ IAT 2212, eine Eigenentwicklung der Firma AUTECH AG, ist mit 12 Schleifscheiben ausgestattet. Es sind insgesamt je 6 Schleifscheiben über jeder Schiene angeordnet. Das Entfernen von Wellen und Head Checks (Risse und Ausbrüche), das Reprofilieren der Schienen und das Ausbessern anderer Fahrflächenfehler ist in Vignol- und Rillenschienen gleichermaßen möglich. Das Fahrzeug kann auch zum Entrosten von neuen Schienen oder Überschleifen von Stößen eingesetzt werden. Der Antrieb des Doppelwellenschleifpakets, die Zustellung und Winkelverstellung erfolgen hydraulisch. Die  Maschine  kann  auf  Normal-  (1.435 mm) sowie  Meterspur  eingesetzt  werden.

Der Anstellwinkel der 12 paarweise gesteuerten Schleifwellen kann einzeln eingestellt werden, so ist die Bearbeitung jeder Schiene mit 3 verschiedenen Schleifflächen (Facetten) gleichzeitig möglich. In einer Überfahrt kann eine Schleiftiefe von 0,2 mm am Schienenkopf und 1 mm an der Fahrkante erreicht werden. Je nach Tiefe der zu entfernenden Fahrflächenfehler sind bei gleichem Schleifwinkel mehrere Überfahrten notwendig.

Die erforderlichen Winkeldifferenzen sowie Anzahl der Facetten sind vom Werkstoff und Profil der Schiene abhängig. Die Doppelwellenschleifpakete können innen bis 72°, außen bis 55° stufenlos geneigt werden. Mit dem am Fahrzeugende angebrachten Weichenschleifmodul ist das Schleifen von Weichen möglich.

 

Steuerung

Beim Schleifen im Schienenbetrieb halten sich die Bediener neben dem Fahrzeug auf und können die Arbeitsabläufe des Schienenschleifens auf zwei Arten steuern. Einerseits mithilfe der Bedienkästen an den vier Seiten des Fahrzeuges, andererseits mit 2 handbedienten Funkfernsteuergeräten Typ IMET M550 Zeus NJ. Mit der Funkfernsteuerung kann die Fahrgeschwindigkeit stufenlos reguliert, die Fahrtrichtung gewählt und ein akustisches Signal abgesetzt werden. 
Die Schleifprozesssteuerung Typ RML9000 ist ein modulares Tool zur Optimierung des Schleifvorgangs. Bestandteil des Systems ist ein vorne am Fahrzeug installierter Laserschlitten, mit dem das Querprofil der Schienen ausgemessen und mit dem Sollprofil verglichen wird.

Die Messwerte und die aus der Vergleichsprüfung erhaltenen Fehlerwerte werden an 2 tragbaren Handcomputern Typ Trimble YUMA 2, die im Lieferumfang enthalten sind, digital angezeigt. Am Touchscreen können vom Programm vorgeschlagene Einstellwerte für Schleifwinkel, Druck und Seitenposition übernommen, frühere  Einstellungen abgerufen bzw. neue Einstellungen eingegeben werden. Nach Bestätigung nehmen die 12 Schleifwellen automatisch die Position nach den voreingestellten Werten auf. Mithilfe des Programms können 50 verschiedene Schleifprogramme gespeichert werden.

Ein weiteres Zubehör des Fahrzeuges ist das Messgerät RailSurf mit digitaler Anzeige zur Ermittlung von Riffeln. Die Auswertung der Vor- und Nachmessungen, das Erstellen von Berichten erfolgt mit dem Programm RailTrack.

Das Schienenschleiffahrzeug ist mit einem Web-basierten GreenGuard Flottenmanagement- und Datenerfassungssystem ausgestattet. Mit der Software können aktuelle und historische Verbrauchs- und Maschinendaten erfasst, Ferndiagnose, GPS-basierte Ortung und Verfolgung durchgeführt werden, darüber hinaus unterstützen Fehlererfassungs- und Alarmfunktionen, Wartungsvoranzeige/Wartungsmanagement und Zugang über Smartphone die Arbeit der Betreiber.

Eine weitere benutzerfreundliche Lösung sind die über den Schienenrädern bzw. am Fahrzeug­ende installierten Kameras. Mit diesen Kameras können am Monitor in der für drei Personen ausgelegten Bedienerkabine die richtige Ausführung des Eingleisens und im Straßenbetrieb die Rangiermanöver überwacht werden.

Aus Brand-, Umwelt- und Arbeitsschutzüberlegungen ist die Schleifeinheit mit Funkenschutz und einer leistungsfähigen Staubabsaugung mit Funkenvorabscheider ausgerüstet. Der Funkenschutz verhindert den Funkenwurf, schützt vor dem mit hoher Geschwindigkeit rotierenden Schleifmittel und reduziert gleichzeitig die Lärmbelastung. Die Staubabsaugung verringert die Staubbelastung der Umgebung, die durch den Staubaustritt beim Schleifen entsteht.
Zur Vermeidung von Schwellenbrand ist das Fahrzeug auch mit einer Wassersprühvorrichtung ausgerüstet.

An den vier äußeren Ecken und an der mittleren Instrumententafel der Fahrerkabine ist je ein NOT-AUS-Taster angebracht. Darüber hinaus befinden sich an beiden handbedienten Funksteuerungen (IMET M550) NOT-AUS-Taster. Durch einen NOT-AUS-Taster kann das Fahrzeug sowohl vom Bedienungspersonal außerhalb des Fahrzeuges als auch vom Fahrzeugführer in der Führerkabine (Sicherheitsperson) jederzeit sofort gestoppt werden. Bei Aktivierung der Not-Halt-Funktion fahren alle hydraulischen Fahrzeugfunktionen in Sicherheitsposition, der Dieselmotor wird abgestellt und die Feststellbremse spricht an.

Wichtigste technische Parameter, Kenndaten des 2-Wege-Fahrzeuges

  • TypenbezeichnungAT VM 8000-12E
  • Haupthersteller: Autech AG
  • Hersteller der Schienenschleif­einheit, Schienenfahrwerk und allen dazugehörenden Komponenten: Autech AG
  • Lieferant des BasisfahrzeugesViktor Meili AG

Kenndaten Straße:

  • Motor: Mercedes-Benz OM 926LA, 6-Zylinder
  • Zulässige Höchstgeschwindigkeit Straßenfahrt: 45 km/h

Kenndaten Schiene:

  • Bahnnummer: 99 55 9901 001-8
  • Spurweite1.435 mm (kann auch auf 1.000 mm eingestellt werden)
  • Antriebsraddurchmesser: 450 mm
  • Zulässige Höchstgeschwindigkeit Schienenfahrt: 25 km/h
  • Schleifgeschwindigkeit: 0-5 km/h mit Funkfernsteuerung
  • Fahrzeuglänge: 7.110 mm
  • Fahrzeugbreite: 2.300 mm
  • Fahrzeughöhe Straße/Schiene: 3.000 mm / 3.150 mm
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 11.990 kg
  • Typ der Kupplungsvorrichtung: Zugöse
  • Bearbeitbarer kleinster Bogenradius20 m
  • Max. Gleissteigung beim Fahren/Schleifen: 70 ‰

Erfüllung des Liefervertrages und Inbetriebnahme

Der Probebetrieb wurde am 11. Juli 2015 abgeschlossen. Das Fahrzeug hat die vorgegebenen Betriebsstunden im Verkehrs- und Schienenschleifbetrieb ohne technische Störungen, entsprechend den vorgeschriebenen Anforderungen absolviert.  Das Abnahmeverfahren endete am 18. August 2015.

Betrieb, tägliche Schleifleistung

Für die Bedienung der Schleifeinrichtung sind wenigstens 2 Personen notwendig, aus Sicherheitsgründen ist jedoch der Einsatz von 3 Personen empfehlenswert. Das Bedienungspersonal befindet sich während der Arbeit seitlich oder hinter dem Fahrzeug, überwacht und bei Bedarf reguliert die verschiedenen Schleifwinkel.

Mit dem Fahrzeug, das seit Auguset 2015 durchgehend im Einsatz ist, wurden im Rahmen planmäßiger Wartungsmaßnahmen bereits in Straßenbahn-, S-Bahn- und U-Bahn-Netzen Schienenschleifarbeiten durchgeführt. Die Arbeiten laufen typischerweise während der normalen Betriebspause in der Nacht bzw. an Bahnabschnitten, an denen aus anderen Gründen Gleissperrung angeordnet ist, vereinzelt auch tagsüber. Die durchschnittliche Schleifleistung hängt neben Art und Ausmaß der zu beseitigenden Fahrflächenfehler stark von der Qualität der Schleifscheiben und der Härte der Schienen ab. Bei reinem Fahrflächenschleifen, einer Riffeltiefe von max. 0,2 mm und Schienen in Standardqualität R220 (MSZ EN 13674) kann man in einer Überfahrt als Richtwert mit 0,2 mm Schleiftiefe und ca. 250 Gleismeter/Stunde rechnen.

Bedienungspersonal und Schulung

Wie auch aus der vorstehenden Beschreibung hervorgeht, steckt hinter dem hohen Automatisierungsgrad und den zahlreichen benutzerfreundlichen Lösungen eine ziemlich zusammengesetzte Arbeitsmaschine, deren Bedienung bzw. die Ausführung eines hochpräzisen Schleifvorgangs mit den Geräten von den Bedienern einen hohen Sachverstand abverlangen. Das Bedienungs- und Wartungspersonal des Schienenschleiffahrzeuges hatte zuerst April 2015 die Möglichkeit, im Schweizer Herstellerwerk der AUTECH AG sich mit der Maschine vertraut zu machen, wo die Teilnehmer eine dreitägige vorläufige Schulung erhalten haben. Dann haben wir nach Anlieferung der Arbeitsmaschine nach Ungarn und Einholen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen im Juni 2015 eine dreiwöchige theoretische und praktische Schulung gestartet, wobei die Fachleute der Herstellerfirma 9 Mitarbeiter der BKV Zrt. für die vollständige Bedienung und Wartung des Schienenschleiffahrzeuges ausgebildet haben. Die Bediener des Schienenwartungsfahrzeuges arbeiten jetzt abwechselnd in zwei Schichten mit der Maschine. Für weitere 17 Personen – Fahrzeugfahrer in Reserve und Mitarbeiter der Bahndienste der BKV Zrt. – wurde eine Schulung in Bauartkunde mit abschließender Prüfung durchgeführt.

Wartungsintervalle

Während der 3jährigen Garantiezeit führt Movill GmbH die wöchentlichen und monatlichen Wartungsmaßnahmen am Schienenschleiffahrzeug und Mitarbeiter der AUTECH AG aus der Schweiz die Überprüfung alle 200 Betriebsstunden in einer Werkstatt der BKV Zrt. aus.

Die Betriebserfahrungen des Eigentümers und Betreibers BKV Zrt. sind unserer Kenntnis nach sehr günstig.

Nachwort

Die Erhaltung der Qualität des öffentlichen Verkehrs ist unser gemeinsames Interesse, ein unerlässlicher Teil davon ist die effiziente Pflege der Verkehrsinfrastruktur. Im Budapester Bahn­streckennetz ist das vorstehend vorgestellte Fahrzeug zur Zeit das meist ausgefeilte Gerät.

Im Namen aller Mitarbeiter der Movill GmbH können wir stolz sagen, dass es uns außerordentlich freute, an diesem Ausnahmeprojekt, der Anschaffung des ersten in ungarisches Eigentum übergehenden modernen Spezial-Präzisions­fahrzeuges zum Schienenschleifen mitzuarbeiten.